Das geplante Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten hat eine enorme ökonomische und demokratiepolitische Dimension. Die beiden wichtigsten Handelsblöcke der Welt machen ungefähr ein Drittel des Welthandels aus. US-Unternehmen sind die wichtigsten Auslandsinvestoren in der EU und umgekehrt sind die USA das wichtigste Zielland für Auslandsinvestitionen aus EU-Staaten. Das Freihandelsabkommen würde für alle staatlichen Ebenen (EU, Mitgliedsstaaten, in Deutschland auch Bundesländer und Kommunen) verbindliche Regelungen schaffen und für rund 820 Millionen Bürgerinnen und Bürger gelten. Es würde weite Bereiche der Handelspolitik wie zum Beispiel Dienstleistungen, öffentliche Aufträge, Landwirtschaft und technische Handelshemmnisse umfassen sowie Regelungen zum Investitionsschutz und zum geistigen Eigentum enthalten.
In der öffentlichen Diskussion wird vor allem auf die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die europäischen Standards im Verbraucherschutz hingewiesen. Es wird befürchtet, dass europäische Märkte für Chlorhühnchen, Gentechnik, Hormonfleisch und andere hierzulande nicht zugelassene Produkte geöffnet werden müssen. Diese Fragen stehen für Mehr Demokratie jedoch nicht im Fokus. Wir nehmen auch keine Stellung zu den wirtschafts- und handelspolitischen Aspekten des Abkommens. Dieses Papier ist nicht als eine Ablehnung des Freihandels zu verstehen. Vielmehr sehen wir in dem Abkommen erhebliche Probleme für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die wir im Folgenden genauer analysieren.
In der öffentlichen Diskussion wird vor allem auf die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die europäischen Standards im Verbraucherschutz hingewiesen. Es wird befürchtet, dass europäische Märkte für Chlorhühnchen, Gentechnik, Hormonfleisch und andere hierzulande nicht zugelassene Produkte geöffnet werden müssen. Diese Fragen stehen für Mehr Demokratie jedoch nicht im Fokus. Wir nehmen auch keine Stellung zu den wirtschafts- und handelspolitischen Aspekten des Abkommens. Dieses Papier ist nicht als eine Ablehnung des Freihandels zu verstehen. Vielmehr sehen wir in dem Abkommen erhebliche Probleme für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die wir im Folgenden genauer analysieren.
Transparenz
Der gesamte Verhandlungsprozess ist außerordentlich intransparent. Verhandlungstexte, Vorschläge beider Seiten, begleitendes Material, Diskussionsvorlagen und andere Vorlagen, die im Kontext der Verhandlungen ausgetauscht werden, werden vertraulich behandelt und selbst Abgeordneten des EU-Parlaments vorenthalten. Nicht einmal das vom Rat erteilte Verhandlungsmandat, das den Verhandlungsrahmen festlegt und für die Öffentlichkeit natürlich von höchstem Interesse ist, wurde bisher veröffentlicht. Und auch die personelle Besetzung der „High Level Working Group on Jobs and Growth“, die wichtige vorbereitende Arbeiten für das Abkommen geleistet hat, wird geheim gehalten. Danach befragt, antwortet die Bundesregierung trocken: „Genauere Informationen zur Zusammensetzung liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Europäische Kommission hat entschieden, keine weiteren Informationen hierzu zu veröffentlichen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben diese Entscheidung zu akzeptieren.“1
Mittlerweile hat die Kommission auf die Kritik an der Intransparenz reagiert und öffentliche Gesprächsrunden über das Abkommen durchgeführt sowie einige Positionspapiere veröffentlicht. Außerdem soll das Investitionsschutzkapitel in einem dreimonatigen Dialogverfahren diskutiert werden. Aber erstens sind diese Maßnahmen erst erfolgt, nachdem der Druck aus der Zivilgesellschaft immer größer wurde und kritische Berichte in den Medien sich häuften. Zweitens ist noch immer keiner der Verhandlungstexte offengelegt worden. Offenbar soll das Abkommen vor der Öffentlichkeit abgeschirmt werden.
Mittlerweile hat die Kommission auf die Kritik an der Intransparenz reagiert und öffentliche Gesprächsrunden über das Abkommen durchgeführt sowie einige Positionspapiere veröffentlicht. Außerdem soll das Investitionsschutzkapitel in einem dreimonatigen Dialogverfahren diskutiert werden. Aber erstens sind diese Maßnahmen erst erfolgt, nachdem der Druck aus der Zivilgesellschaft immer größer wurde und kritische Berichte in den Medien sich häuften. Zweitens ist noch immer keiner der Verhandlungstexte offengelegt worden. Offenbar soll das Abkommen vor der Öffentlichkeit abgeschirmt werden.
Regulatorische Kooperation – Die Wirtschaft(slobby) als Co-Autor der Gesetzgebung
In den TTIP-Vertragstexten sollen Bestimmungen zur Regulierung verankert werden, die demokratiepolitisch hochbedenklich sind. Im nicht-öffentlichen, aber doch an die Öffentlichkeit durchgesickerten Verhandlungsmandat wird von einer „schrittweisen Verwirklichung der Kompatibilität der Regulierungssysteme“ gesprochen. Für diese regulatorische Kooperation wird ein „ehrgeiziges Niveau“ angestrebt. Dies bezieht sich keineswegs nur auf bestehende Handelshemmnisse, sondern soll offensichtlich so weit gehen, dass die Art und Weise, wie zukünftig dies- und jenseits des Atlantiks Gesetze und Regulierungen mit Einfluss auf Handels- oder Investitionsbedingungen erlassen werden, verändert wird. Denn während sich das Verhandlungsmandat sehr vage und in einem extremen Handelschinesisch2 ausdrückt, sprechen US- und EU-Lobbyverbände wie die American Chamber of Commerce und Business Europe Klartext: „Interessengruppen würden mit Regulierern zusammen an einem Tisch sitzen, um gemeinsam Gesetze zu schreiben.“3 Auch wenn die formalen Gesetzgebungsprozeduren in der EU und den USA nicht verändert würden, besteht die Gefahr einer institutionalisierten frühzeitigen Einbindung demokratisch nicht legitimierter Interessenverbände. Wer schon ganz zu Beginn eingebunden ist, hat natürlich die besten Chancen, bestimmte Prozesse in seinem Sinne zu beeinflussen oder gar zu verhindern.
Investor-Staat-Klageverfahren – Sonderklagerechte für Konzerne
Einer der kritischsten und meistdiskutierten Bestandteile des Abkommens ist das Investitionsschutzkapitel mit dem sogenannten Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS), das es bereits in vielen anderen Abkommen gibt. Ausländischen Investoren werden damit weitgehende Schutzrechte zugesichert, die vor so genannter ungerechtfertigter Behandlung, Diskriminierung, Einschränkung des Kapitalverkehrs sowie direkter und indirekter Enteignung schützen sollen. Ursprünglich für Staaten mit mangelhafter Gerichtsbarkeit eingeführt, befinden sich diese Schiedsverfahren außerhalb der staatlichen Rechtsprechung. In der Regel treffen dabei drei von den Streitparteien benannte Schiedsrichter in nicht-öffentlichen Beratungen bindende und durchsetzbare Schiedssprüche. Berufungsmöglichkeiten existieren nicht. Geklagt wird immer auf Schadenersatzzahlungen, die in die Milliarden gehen können und aus Steuergeldern geleistet werden. Klagemöglichkeiten von Staaten gegen Investoren enthalten diese Verträge nicht4.
Mittlerweile haben ISDS-Verfahren einen regelrechten Boom erlebt. Bis Ende 2012 gab es 514 solcher Verfahren, wobei angesichts der Intransparenz der Verfahren noch mit einer Dunkelziffer zu rechnen ist5. In rund 30 Prozent aller Fälle gewinnen die Kläger, in 30 Prozent aller Fälle wird ein Vergleich abgeschlossen und in 40 Prozent der Fälle gewinnt der beklagte Staat6. Dies bedeutet, dass der beklagte Staat in 60 Prozent aller Fälle ganz oder teilweise auf die Verliererstraße gerät. Auch Deutschland ist jetzt ins Visier von ISDS-Klagen geraten, da der schwedische Energieriese Vattenfall sowohl gegen den deutschen Atomausstieg als auch gegen zu hohe Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg klagt7. Meistens klagen jedoch Unternehmen aus den USA oder der EU gegen Entwicklungs- oder Schwellenländer. So sind beispielsweise Mexiko nach Inkrafttreten des NAFTA-Abkommens8 oder Argentinien aufgrund ihrer Reaktionen auf die Finanzkrise häufig zum Ziel solcher Klagen geworden. Alleine der argentinische Staat soll eine Milliarde US-Dollar zahlen. Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wird zudem in die Welt der Finanzspekulation integriert: Prozessfinanzierer finanzieren Klagen mit und erhalten im Gegenzug einen Anteil an einer später eventuell zugesprochenen Entschädigung oder an einer Zahlung im Rahmen eines Vergleiches.
Mittlerweile haben ISDS-Verfahren einen regelrechten Boom erlebt. Bis Ende 2012 gab es 514 solcher Verfahren, wobei angesichts der Intransparenz der Verfahren noch mit einer Dunkelziffer zu rechnen ist5. In rund 30 Prozent aller Fälle gewinnen die Kläger, in 30 Prozent aller Fälle wird ein Vergleich abgeschlossen und in 40 Prozent der Fälle gewinnt der beklagte Staat6. Dies bedeutet, dass der beklagte Staat in 60 Prozent aller Fälle ganz oder teilweise auf die Verliererstraße gerät. Auch Deutschland ist jetzt ins Visier von ISDS-Klagen geraten, da der schwedische Energieriese Vattenfall sowohl gegen den deutschen Atomausstieg als auch gegen zu hohe Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg klagt7. Meistens klagen jedoch Unternehmen aus den USA oder der EU gegen Entwicklungs- oder Schwellenländer. So sind beispielsweise Mexiko nach Inkrafttreten des NAFTA-Abkommens8 oder Argentinien aufgrund ihrer Reaktionen auf die Finanzkrise häufig zum Ziel solcher Klagen geworden. Alleine der argentinische Staat soll eine Milliarde US-Dollar zahlen. Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wird zudem in die Welt der Finanzspekulation integriert: Prozessfinanzierer finanzieren Klagen mit und erhalten im Gegenzug einen Anteil an einer später eventuell zugesprochenen Entschädigung oder an einer Zahlung im Rahmen eines Vergleiches.
Zentralisierung der EU-Investitionspolitik
Mit dem Lissabon-Vertrag wurden (neben zahlreichen anderen Politikbereichen) Auslandsinvestitionen in die ausschließliche Kompetenz der EU übertragen, wobei es lediglich in Irland zu einem Volksentscheid über den Vertrag kam. Sie sind nun Teil der Gemeinsamen Handelspolitik, die schon länger in die ausschließliche EU-Zuständigkeit fällt. Dies bedeutet, dass die Verhandlungen ausschließlich durch die EU-Institutionen geführt und abgeschlossen werden. Eine Zustimmung der Mitgliedsstaaten und derer Parlamente ist nicht erforderlich, es sei denn, es handelt sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen (siehe unten). Das TTIP-Abkommen ist nach dem EU-Kanada- Freihandelsabkommen (CETA) der erste große Anwendungsfall für die europäisierte Investitionspolitik. Gerade angesichts des mangelnden öffentlichen Interesses, das bisher bei Europawahlen deutlich wurde, kann die Zustimmung des Europäischen Parlamentes den Einflussverlust von 28 nationalen Parlamenten und der kritischen Zivilgesellschaft nicht ausgleichen.
Wer entscheidet am Ende?
Erstaunlicherweise ist immer noch unklar, wer am Ende über das Abkommen entscheidet. Die EU hat die Verhandlungskompetenz im Bereich der Handels- und Investitionspolitik. Diese bezieht sich sowohl auf Materien, die in der Zuständigkeit der EU liegen als auch auf Bereiche, in denen die Mitgliedsstaaten entscheiden. Wenn ausschließlich Materien betroffen sind, die in die EU-Zuständigkeit fallen, genügt die Zustimmung durch den Rat und das Europäische Parlament. Wenn aber auch nationale Zuständigkeiten betroffen sind, wird von einem gemischten Abkommen gesprochen, das die Mitgliedsstaaten ratifizieren müssen. Derzeit liegt der Bereich Portfolioinvestitionen noch in der Hoheit der Mitgliedsstaaten. Laut des Verhandlungsmandats soll über diese beiden Punkte auch verhandelt werden9. Daher verwundert es nicht, dass die Bundesregierung von einem gemischten Abkommen und der Ratifikation durch die Mitgliedsstaaten ausgeht10. Die EU-Kommission hingegen spricht lediglich die Zustimmung durch Rat und Europäisches Parlament an11. Auf Nachfrage wird erklärt, dass diese Frage noch nicht beantwortet werden könne, da noch kein Vertragstext vorliege. Die Antwort auf diese Frage hat jedoch enorme Konsequenzen. Falls es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, wird es zu Debatten und Entscheidungen in mehr als zwei Dutzend nationalen Parlamenten kommen. Das Thema würde eine ganz andere öffentliche Wahrnehmung erfahren. In einzelnen Ländern wären unter Umständen auch nationale Volksinitiativen und Volksentscheide zum Abkommen möglich. Bisher sind die nationalen Parlamente jedoch noch weniger einbezogen als das Europäische Parlament.
Schwache Rolle der Parlamente
Von der EU-Kommission wird immer wieder auf die notwendige Zustimmung des Europäischen Parlamentes hingewiesen, um Zweifel an der demokratischen Legitimation des Abkommens auszuräumen. Doch bei näherer Betrachtung der Entscheidungsabläufe bei internationalen Verträgen wird deutlich, dass trotz dieses Zustimmungsvorbehaltes nicht von einer effektiven parlamentarischen Kontrolle gesprochen werden kann. Denn: Internationale Verträge im Handels- und Investitionsbereich werden in einem mehrstufigen Verfahren abgeschlossen, bei dem das Parlament erst ganz zum Schluss ins Spiel kommt. Änderungen sind dann nicht mehr möglich. Den Anstoß zu den Verhandlungen gibt die Kommission selbst mit einer Empfehlung an den Rat. Dieser wiederum beschließt ein Verhandlungsmandat. Auf der Grundlage dieses Mandates, das vom Rat geändert werden kann, verhandelt ausschließlich die Kommission mit den Vertreterinnen und Vertretern der USA. Sie beteiligt dabei einen vom Rat bestellten Sonderausschuss. Abschließend entscheidet der Rat über den Abschluss des Abkommens. Das Parlament kann dann nur noch Ja oder Nein zu einem fertig ausgehandelten Vertrag sagen, Änderungen sind nicht mehr möglich. Der Druck auf die Abgeordneten, dem Abkommen zuzustimmen, ist dann riesig. Die eigentliche Hoheit über den Verhandlungsprozess haben somit Kommission und Rat.
In den USA ist dies übrigens anders. Dort können ausgehandelte Abkommen noch durch den Kongress geändert werden und es besteht genügend Zeit zur Diskussion dieser Abkommen. Änderungen durch den Kongress würden dann zu Nachverhandlungen führen. In einem aktuellen Gesetzentwurf wird bestimmten Kongressabgeordneten gar das Recht eingeräumt, bei Verhandlungen dabei zu sein12. Dies ist allerdings dem jeweils gerade regierenden US-Präsidenten ein Dorn im Auge, weshalb vom Kongress häufig eine sogenannte Fast-Track-Gesetzgebung installiert wird. Dabei darf der Kongress dem Abkommen nur insgesamt zustimmen oder es ablehnen – innerhalb einer Zeitspanne von 90 Tagen. Präsident Obama hat bisher keine Fast-Track-Autorisierung für das TTIP erhalten. Angesichts der im November 2014 stattfindenden Wahlen dürfte dies auch schwierig werden, sogar Parteifreunde gehen auf Distanz.
In den USA ist dies übrigens anders. Dort können ausgehandelte Abkommen noch durch den Kongress geändert werden und es besteht genügend Zeit zur Diskussion dieser Abkommen. Änderungen durch den Kongress würden dann zu Nachverhandlungen führen. In einem aktuellen Gesetzentwurf wird bestimmten Kongressabgeordneten gar das Recht eingeräumt, bei Verhandlungen dabei zu sein12. Dies ist allerdings dem jeweils gerade regierenden US-Präsidenten ein Dorn im Auge, weshalb vom Kongress häufig eine sogenannte Fast-Track-Gesetzgebung installiert wird. Dabei darf der Kongress dem Abkommen nur insgesamt zustimmen oder es ablehnen – innerhalb einer Zeitspanne von 90 Tagen. Präsident Obama hat bisher keine Fast-Track-Autorisierung für das TTIP erhalten. Angesichts der im November 2014 stattfindenden Wahlen dürfte dies auch schwierig werden, sogar Parteifreunde gehen auf Distanz.
Lobbyismus
Der Einfluss von Interessen- und Lobbygruppen auf politische Entscheidungsprozesse ist generell ein großes Problem der repräsentativen Demokratie. Auf EU-Ebene stellt sich das Problem noch verschärfter dar, da die Rechtsetzung ohnehin sehr exekutivlastig abläuft und eine kritische europäische Öffentlichkeit bestenfalls in Grundzügen existiert13. Der Einfluss großer Konzerne und ihrer Lobbygruppen ist ganz besonders in der wichtigen Vorbereitungsphase des Abkommens deutlich geworden. 119 Mal traf sich die EU-Kommission zwischen Januar 2012 und April 2013 hinter verschlossenen Türen mit Konzernlobbyistinnen und -lobbyisten und lediglich elf Mal mit Gewerkschaften und Verbraucherschutzverbänden. Diese Zahlen gehen auf eine Liste zurück, die die EU-Kommission in Reaktion auf eine Anfrage der lobbykritischen NGO Corporate Europe Observatory selbst veröffentlichte14. Dies steht in einem auffälligen Kontrast zum Mantra der Kommission, mit allen Akteuren im Dialog zu stehen. Interessant ist auch die Rolle der Bertelsmann-Stiftung. Sie hat einerseits eine Studie in Auftrag gegeben, die die angeblichen ökonomischen Vorteile des TTIP benennen soll. Gleichzeitig wird sie von der EU-Kommission dafür bezahlt, Werbung für das Abkommen zu machen15.
Faktische Unumkehrbarkeit
Einmal abgeschlossen, sind internationale Verträge im Allgemeinen und Freihandelsabkommen im Besonderen kaum noch umkehrbar. Änderungen können – wenn nichts anderes vereinbart wurde – nur mit der Zustimmung aller Vertragsparteien erfolgen. Wenn es gelingt, ein Abkommen in Kraft treten zu lassen, bedeutet dies, dass jahrelange und häufig mühsame Verhandlungen zu einem Abschluss gekommen sind. Die beteiligten Verhandlungsparteien sind im Normalfall kaum bereit, diesen „Erfolg“ zu gefährden. Außerdem achten Lobbyvertreterinnen und -vertreter stark darauf, dass für sie vorteilhafte Regelungen nicht angetastet werden. Kündigungen von internationalen Verträgen sind noch schwieriger. Im EU-Vertrag finden sich dazu keinerlei Ausführungen, so dass entweder allgemeines Völkervertragsrecht gilt oder spezifische Bestimmungen im Vertrag selbst gelten. Zuständig für die Kündigung wäre der Rat auf Vorschlag der Kommission, das Europäische Parlament müsste zustimmen16. Hinzu kommt, dass Investitionsabkommen generell langfristige Verpflichtungen auslösen. Viele bilaterale Investitionsabkommen sowie der Entwurf des (1998 letztlich gescheiterten) Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI) sehen eine früheste Kündigungsmöglichkeit nach fünf Jahren vor. Für Investitionen, die bis zum Zeitpunkt der Kündigung getätigt waren, gilt der Vertrag noch 15 weitere Jahre. Effektiv gelten die Bestimmungen dann 20 Jahre – eine Zeit, in der vier- bis fünfmal der Deutsche Bundestag gewählt wird.
Aber ist das Abkommen nicht gut für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum?
Befürworter des Abkommens verweisen gerne auf Studien, die positive Effekte für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze erbringen sollen. Durch die Medien geistern häufig Zahlen, die besonders anschaulich für jeden verständlich aufzeigen sollen, welche Vorteile das Abkommen für Europa bringen könnte. So meldete der Spiegel im Juni 2013 unter Berufung auf eine durch die Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie des IFO-Institutes17, das TTIP-Abkommen könnte in Deutschland 181.000 neue Arbeitsplätze schaffen18. In ähnlicher Manier verkündete die FAZ nur wenige Tage vor dem Spiegel, der Freihandel mit den USA brächte jedem Haushalt 545 Euro im Jahr19. Wenn man sich nun aber etwas genauer mit den (wenigen) Studien beschäftigt, fallen zahlreiche Relativierungen auf.
Zunächst gelten die Zahlen für das sogenannte Liberalisierungsszenario. Dieses unterstellt, dass alle Zölle zwischen den USA und der EU abgeschafft werden, ebenso wie alle nicht-tarifären Handelshemmnisse (technische Vorschriften, Produktstandards etc.). Dies ist unrealistisch, da bei Handelsabkommen niemals ein totales Liberalisierungsniveau erreicht wird und häufig ganze Wirtschaftssektoren ausgeklammert werden. Bei TTIP hatte dies bereits in der Frühphase der Verhandlungen mit der Herausnahme audiovisueller Dienstleistungen begonnen. Zweitens ist die Zeitschiene zu beachten, denn die versprochenen Effekte würden sich erst langfristig einstellen. In einer Studie wird das Jahr 2027 angegeben als der Zeitpunkt, zu dem sich alle positiven Effekte des Abkommens entfaltet haben. In einer anderen Studie wird von zehn bis 20 Jahren ausgegangen. Nimmt man also realistischerweise 15 Jahre an, in denen 181.000 Arbeitsplätze entstehen sollen, steigt die Beschäftigung in Deutschland um gerade einmal rund 12.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Das Wirtschaftswachstum steigt so sogar nur um 0,028 Prozent pro Jahr. Auch die 545 Euro mehr im Geldbeutel sind natürlich nur ein langfristiger Effekt und gelten zudem für einen vierköpfigen Haushalt. Drittens wird unterstellt, dass sich das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU durch das Abkommen um 80 Prozent ausweitet. Dies ist vorsichtig ausgedrückt sehr optimistisch und beruht auf einer schlichten Übernahme ähnlicher (und umstrittener) Zahlen in Bezug auf NAFTA und den EU-Binnenmarkt.
Aber selbst wenn die Studien mit ihren Prognosen richtig liegen und das Abkommen gewisse positive ökonomische Effekte bringen würde, bleibt die Frage, ob es uns diese wirtschaftlichen Vorteile wert sind, dafür die beschriebenen deutlichen Einschränkungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Kauf zu nehmen. Mehr Demokratie wird sich jedenfalls dafür einsetzen, dass das Primat der Politik nicht durch Freihandelsabkommen unterlaufen wird.
Zunächst gelten die Zahlen für das sogenannte Liberalisierungsszenario. Dieses unterstellt, dass alle Zölle zwischen den USA und der EU abgeschafft werden, ebenso wie alle nicht-tarifären Handelshemmnisse (technische Vorschriften, Produktstandards etc.). Dies ist unrealistisch, da bei Handelsabkommen niemals ein totales Liberalisierungsniveau erreicht wird und häufig ganze Wirtschaftssektoren ausgeklammert werden. Bei TTIP hatte dies bereits in der Frühphase der Verhandlungen mit der Herausnahme audiovisueller Dienstleistungen begonnen. Zweitens ist die Zeitschiene zu beachten, denn die versprochenen Effekte würden sich erst langfristig einstellen. In einer Studie wird das Jahr 2027 angegeben als der Zeitpunkt, zu dem sich alle positiven Effekte des Abkommens entfaltet haben. In einer anderen Studie wird von zehn bis 20 Jahren ausgegangen. Nimmt man also realistischerweise 15 Jahre an, in denen 181.000 Arbeitsplätze entstehen sollen, steigt die Beschäftigung in Deutschland um gerade einmal rund 12.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Das Wirtschaftswachstum steigt so sogar nur um 0,028 Prozent pro Jahr. Auch die 545 Euro mehr im Geldbeutel sind natürlich nur ein langfristiger Effekt und gelten zudem für einen vierköpfigen Haushalt. Drittens wird unterstellt, dass sich das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU durch das Abkommen um 80 Prozent ausweitet. Dies ist vorsichtig ausgedrückt sehr optimistisch und beruht auf einer schlichten Übernahme ähnlicher (und umstrittener) Zahlen in Bezug auf NAFTA und den EU-Binnenmarkt.
Aber selbst wenn die Studien mit ihren Prognosen richtig liegen und das Abkommen gewisse positive ökonomische Effekte bringen würde, bleibt die Frage, ob es uns diese wirtschaftlichen Vorteile wert sind, dafür die beschriebenen deutlichen Einschränkungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Kauf zu nehmen. Mehr Demokratie wird sich jedenfalls dafür einsetzen, dass das Primat der Politik nicht durch Freihandelsabkommen unterlaufen wird.
Dr. Michael Efler, Roman Huber
Mehr Demokratie e. V
(Stand: 18.2.2014)
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